Das neue Gesicht des Luxus:

Herausforderungen & Chancen für Reiseanbieter im High-End Segment

von Christin Freitag

In unserer sich ständig wandelnden Welt werden nun auch die traditionellen Konzepte von Opulenz und Exklusivität neu definiert. Mit dem Eintritt der Generation Z in die Arbeitswelt und ihrem zunehmenden Kaufkraftwachstum manifestieren sich vier Mega-Trends, die die Grundpfeiler des Geschäfts mit dem Luxusversprechen erschüttern. Dies zwingt immer mehr Marken dazu, ihre Strategien und Angebote zu überdenken, da diese Trends nicht nur die Verbraucherpräferenzen formen, sondern auch die Essenz dessen, was Luxus heute eigentlich bedeutet, verändern. Das neue Gesicht des Luxus, geprägt durch vier Mega-Trends, stellt die Reisebranche vor neue Herausforderungen, bietet jedoch vor allem Chancen, neue Zielgruppen zu erschließen und innovative Angebote zu gestalten.

1. Demokratisierung vs. Soziale Schichtung

Luxus ist nicht mehr allein das Vorrecht der Elite. Durch den Aufstieg von erschwinglichem Luxus suchen Kunden aus verschiedenen sozioökonomischen Hintergründen jetzt einzigartige, hochwertige Erlebnisse, die früher als exklusiv und unleistbar galten. Diese Entwicklung führt jedoch zu einer Spannung zwischen dem Wunsch nach sozialer Unterscheidung und der Attraktivität seltener und maßgeschneiderter Erlebnisse. Akteure in der Luxustourismusbranche müssen entscheiden, welche Art von Klientel sie anziehen möchten, wie elitär oder zugänglich ihre Marke sein soll und wie stark sie wachsen wollen, ohne das Risiko einer Verwässerung ihrer Markeidentität einzugehen. Eine mögliche Lösung besteht darin, sowohl elitäre als auch zugängliche Luxusoptionen anzubieten, um eine Vielzahl von Kundenpräferenzen und -erwartungen zu erfüllen.

Elitäre High-End Segmente umfassen:

  • Private Inselresorts: Ultra-exklusive Resorts, die komplette Privatsphäre und Komfort bieten und sich an vermögende Personen richten
  • Luxuriöse Safari-Erlebnisse: Luxuriöse Lodges und private Wildreservate mit personalisierten Safari-Erlebnissen, einschließlich privater Führungen und maßgeschneiderter Reiserouten.
  • Superyacht-Charter: Charter von Yachten mit mehreren Swimmingpools, Kinos und sogar U-Booten.
  • High-End-Wellness-Retreats: Ganzheitliche Wellnessprogramme, private Villen und persönliche Wellnessberatungen in exklusiven, ruhigen Umgebungen

Egalitäre (zugängliche) High-End Segmente umfassen:

  • Bezahlbare Boutique-Hotels: Luxuriöse Annehmlichkeiten und stilvolle Unterkünfte zu relativ erschwinglichen Preisen, die sich an Reisende richten, die einzigartige und komfortable Aufenthalte suchen.
  • Luxuscamping (Glamping): High-End Zeltunterkünfte in der Nähe natürlicher Sehenswürdigkeiten, die ein gehobenes Camping-Erlebnis bieten, das erschwinglicher ist als traditionelle Luxushotels.
  • Erlebnisreisepakete: Kleingruppenreisen mit hochwertigen Unterkünften und Erlebnissen zu erschwinglicheren Preisen, die ein breiteres Publikum ansprechen.
  • Luxus-Kreuzfahrten bieten erstklassige Annehmlichkeiten und exzellenten Service auf großen Schiffen, was das Luxuserlebnis für eine größere Anzahl von Reisenden zugänglich macht.

 

2. Virtualisierung vs. Materialismus

Virtualisierung ist eng mit dem aufkommenden Trend des erlebnisorientierten Luxuskonsumenten verbunden, der die Sinne auf mehreren Ebenen berührt und uns zu immersiven Erfahrungen durch Technologie, Farbe, Muster und Material zieht. Dieser Trend, der einen Übergang zum immateriellen Konsum darstellt, stellt traditionelle materialistische Werte des Luxus in Frage und zwingt die Branche, greifbare Opulenz mit immersiven, transienten und letztendlich digitalen Erfahrungen zu verschmelzen. Das Reisen ist per se ein transientes Erlebnis und bietet Tourismusunternehmen die Möglichkeit, von diesem Trend immens zu profitieren. Obwohl der physische Aspekt von Luxus, wie Komfort, Ambiente und Präsenz in besonderen Umgebungen, nach wie vor wichtig ist, kann die Integration digitaler Erfahrungen das Luxuserlebnis deutlich verbessern und erweitern. Wenn physische und digitale Elemente harmonisch ineinandergreifen, können Unternehmen sicherstellen, dass sie sich gegenseitig ergänzen. Physischer Luxus bietet die Grundlage von Komfort und Opulenz, während digitale Erfahrungen zusätzliche Ebenen von Immersion, Personalisierung und erweitertem Engagement einbringen. Dadurch entsteht letztendlich ein interaktiveres, persönlicheres und unvergesslicheres Erlebnis für Reisende.

  • VR-Touren und Vorschauen: Luxusresorts bieten virtuelle Rundgänge durch Suiten, Spas und öffentliche Bereich, die es Kunden ermöglichen, ihre Reise zu überprüfen und informierte Entscheidungen zu treffen, während sie Vorfreude aufbauen.
  • AR-verbesserte Erfahrungen: Die Integration von AR-Apps bietet interaktive Informationen über historische Stätten, Wahrzeichen oder Sehenswürdigkeiten Touristen können Rekonstruktionen alter Ruinen oder detaillierte Informationen über Kunstwerke abrufen, um das Verständnis zu erhöhen.
  • Digitale Concierge-Dienste: Luxushotels bieten persönliche Empfehlungen, Reiseplanung und Echtzeitunterstützung über Apps oder KI-Assistenten und verbinden digitale Bequemlichkeit mit High-End Serviceleistungen für ein nahtloses und maßgeschneidertes Gästeerlebnis.
  • Immersive kulturelle Erlebnisse: Die Zusammenarbeit mit lokalen Künstlern und Technologen schafft immersive kulturelle Begegnungen, wie virtuelles Reality-Storytelling und holografische Führungen, die die Geschichte und Kultur des Reiseziels auf einzigartige und unvergessliche Weise zum Leben erwecken

 

3. Nachhaltigkeit vs. Opulenz

Nachhaltigkeit und Opulenz sind per Definition gegensätzliche Konzepte. Dennoch ist Umweltbewusstsein heutzutage allgegenwärtig. Zwei Lager von Verbrauchern mit konträren Werten sind entstanden: auf der einen Seite stehen die Reisenden, die vermehrt nach nachhaltigen Alternativen anstelle von reinem Luxus suchen, während andere den Materialismus als wesentlich für ihre Selbstwahrnehmung und ein Gefühl von Dominanz empfinden. Reisedienstleister sollten hier geschickt navigieren, strategische Entscheidungen sind notwendig: Wie viel Gewicht sollte eine Marke auf ökozentrische Werte im Vergleich zu Egozentrischen legen? Wie wichtig ist es für eine Marke, als moralisch „einwandfrei“ wahrgenommen zu werden, im Vergleich zu einfach nur „attraktiv“? Und wo liegt das ideale Gleichgewicht zwischen Transparenz und der Aufrechterhaltung eines Hauchs von Brand Mystery? Luxus-Tourismusunternehmen müssen diese Fragen sorgfältig erörtern, unter Berücksichtigung der Werte und Präferenzen ihrer Zielkundschaft. Hier sind einige Beispiele dafür, wie Nachhaltigkeit in luxuriöse Reiseangebote integriert wird:

  • Exklusive „Öko-Abenteuer“: Luxus-Reiseveranstalter bieten kuratierte Erlebnisse ihre Kunden an, um unberührte Umgebungen nachhaltig zu erkunden, wie private geführte Touren, Wildtierschutzexpeditionen und umweltfreundliche Luxus-Kreuzfahrten.
  • Kulinarische Nachhaltigkeit: Luxus-Resorts bevorzugen lokal bezogene, Bio-Lebensmittel für Gourmet-Dining, indem sie mit lokalen Bauern zusammenarbeiten, um den CO2-Fußabdruck der Nahrungsproduktion und -transporte zu reduzieren.
  • Klimaneutralität: Luxus-Resorts und Reiseveranstalter investieren in Programme zur CO2-Kompensation, wie Baumpflanzungen und erneuerbare Energien, um die Umweltauswirkungen des Reisens stellvertretend für ihre Kunden zu minimieren.

 

4. Genderfluidität vs sexuelle Attraktivitätssignale

In einer Gesellschaft, die inklusiver und vielfältiger wird, entfernen sich große Luxusmarken von Stereotypen. Bisher betonte traditioneller Luxus oft geschlechtsspezifische Ästhetik und Erfahrungen, die auf evolutionären Funktionen des Luxuskonsums beruhten, wie Fitness-Signalisierung und Fortpflanzung. Im modernen Luxus entwickeln sich traditionelle Geschlechterrollen und Ausdrucksformen von Reichtum weiter. Die Zeiten, in denen Männer teure Autos zur Anziehung von Frauen zur Schau stellten und Frauen den Reichtum ihrer Partner durch Accessoires wie Handtaschen und Schmuck präsentierten, sind zwar nicht vorbei, verblassen aber langsam. Anbieter von Luxusreisen könnten den Trend der Genderfluidität durch folgende Ansätze integrieren:

  • Inklusive Spa-Services: Luxus-Spas bieten Behandlungen und Services an, die über Geschlechternormen hinausgehen und es den Gästen ermöglichen, Behandlungen basierend auf persönlichen Vorlieben anstatt gesellschaftlicher Erwartungen zu wählen. Dazu gehören vielfältige Massagetechniken, Hautpflegebehandlungen und Wellness-Therapien, die auf individuelle Bedürfnisse zugeschnitten sind.
  • Unisex-Mode und Annehmlichkeiten: Luxusresorts bieten geschlechtsneutrale Optionen in ihren Boutiquen und Geschäften an und bieten Kleidung, Accessoires und Pflegeprodukte, die für Gäste jeglichen Geschlechts geeignet sind, und fördern Komfort und Stil für alle.
  • Vielfältige Marketingkampagnen: Luxus-Tourismusunternehmen zeigen in ihrer Werbung verschiedene Darstellungen von Geschlechtsidentität und präsentieren Inklusivität und Akzeptanz durch Anzeigen, Werbevideos und Inhalte in sozialen Medien.

Zusammenfassend kann gesagt werden,

dass das Luxusreisesegment eine bedeutende Transformation durch veränderte Verbraucherpräferenzen und gesellschaftliche Veränderungen erlebt. Der Einfluss der Generation Z und der vier vorgestellten Schlüsseltrends prägen das neue Verständnis von Luxus. Obwohl hochwertige Erlebnisse für ein breiteres Publikum zugänglicher geworden sind, bleibt die Exklusivität attraktiv. Die Verschmelzung physischer und digitaler Erfahrungen definiert Materialismus in der Reisebranche neu, während die Spannung zwischen Nachhaltigkeit und Opulenz die Notwendigkeit für Marken betont, ökozentrische Werte mit traditionellem Luxus auszubalancieren. Die wachsende Akzeptanz und Nachfrage von Genderfluidität führen zu inklusiveren Angeboten. Luxusreiseanbieter müssen diese Trends strategisch berücksichtigen, um den vielfältigen Präferenzen moderner Reisender gerecht zu werden und um relevant zu bleiben

 

Quelle:
Dr. Felicitas Morhart & Dr. Julia Riedmeier: Luxury in Transformation. Understanding areas of tension and making luxury brands future-ready with adapted codes, Edition 2024