Inklusives Reisen: Welchen Herausforderungen sich die Tourismusbranche stellen muss

Seit dem 28. Juni 2022 sind EU-weite Regeln zur Barrierefreiheit in Kraft. Diese Regeln zielen darauf ab, Reiseerlebnisse für alle Menschen zugänglich und angenehm zu gestalten, unabhängig von ihren körperlichen oder kognitiven Fähigkeiten. Obwohl die Adaptationsfrist von drei Jahren bald ausläuft, stehen seiner vollständigen Umsetzung noch immer Herausforderungen im Weg. Dabei lässt sich die Notwendigkeit eines Engagements für Veränderungen und gezielte Maßnahmen erkennen, denn weltweit leben 16 % der Bevölkerung mit einer signifikanten Beeinträchtigung (Quelle: WHO https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/disability-and-health#:~:text=An%20estimated%201.3%20billion%20people,earlier%20than%20those%20without%20disabilities.). Für Reiseziele besonders interessant: laut einer Studie von Expedia entspricht das Einkommen von Menschen mit Behinderungen sowie ihrer Freunde und Familienangehörigen einer weltweiten Kaufkraft von insgesamt 13 Billionen Dollar.  

Wie kann diese Gruppe nun nachhaltig angesprochen werden?
Zunächst ist zu betrachten, dass Behinderung nicht allein körperliche Einschränkungen umfasst. Kognitive Behinderungen sowie mentale und emotionale Belastung mit Auswirkungen auf das alltägliche Leben bilden eine wesentlich größere Gruppe. Was diese Personen jedoch vereint, sind die Herausforderungen, denen sie sich stellen müssen: Umweltbarrieren, also physischen Hürden, Einstellungsbarrieren wie Vorurteile und Voreingenommenheit, sowie Institutionelle Barrieren, die auf Richtlinien und Regelungen basieren und Menschen oder Menschengruppen ausschließen.  

Laut § 4 des deutschen Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) sind „Anlagen, Gebrauchsgegenstände, Systeme, Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen dann barrierefrei, wenn sie für Menschen mit Behinderungen grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind“ (siehe auch:  Inklusion und Tourismus – Analyse und Anwendungsansätze für Projekte der Entwicklungszusammenarbeit, GIZ, 2021, https://www.giz.de/de/downloads/giz2021-de-inklusion-tourismus.pdf ). Doch im Tourismus hakt es in vielen Bereichen noch. Im Folgenden betrachten wir einzelne Herausforderungen genauer und geben potenzielle Lösungsansätze.  

Herausforderung 1: Mangelndes Bewusstsein und Verständnis
Viele Tourismusbetreiber und Interessengruppen sind sich der Bedürfnisse verschiedener Gruppen, einschließlich Menschen mit Behinderungen, älterer Reisender und Personen aus unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, nicht bewusst. Sie kennen die Problematik nicht selbst, haben sie nie erfahren (müssen) – es ist ihnen einfach fremd.
Lösung bieten hier dezidierte Schulung und Ausbildung zum Thema Inklusion und Bewusstsein für Behinderungen, aber auch kultureller Sensibilität. Diese Maßnahmen helfen, Wissenslücken zu schließen. 

Herausforderung 2: Unzureichende Infrastruktur
Häufig sind Reiseziele, Hotels und Attraktionen für Menschen mit Behinderungen nicht physisch zugänglich. Es fehlt an Rampen, Aufzügen, barrierefreien Toiletten und auf verschiedene Bedürfnisse zugeschnittenen Unterkünften.
Hier sind insbesondere Regierungen, aber auch Unternehmen gefragt, die die Entwicklung und Renovierung barrierefreier Einrichtungen priorisieren. Eine Öffnung für alle Menschen bedeutet auch eine Öffnung für Zielgruppen, die bisher unerreicht geblieben sind.  

Herausforderung 3: Begrenzt verfügbare Informationen
Reisende mit spezifischen Bedürfnissen haben oft Schwierigkeiten, verlässliche und detaillierte Informationen über die Zugänglichkeit von Reisezielen, Transportmitteln und Unterkünften zu finden. Es fehlt an Plattformen und Websites, die darauf spezialisiert und angepasst sind. Die Schaffung besserer Informationskanäle mit umfassenden Informationen zu barrierefreien Tourismusoptionen kann Reisenden helfen, ihre Reisen besser zu planen.  

Herausforderung 4: Digitale Barrierefreiheit
Viele Online-Plattformen, einschließlich Buchungswebsites und Reise-Apps, sind nicht so gestaltet, dass sie für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind. Solche Ressourcen können inklusiver gestaltet werde, indem digitale Plattformen den Barrierefreiheitsstandards, wie den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), entsprechend gestaltet werden. Außerdem kann ein Reality-Check durch die Einbindung von Menschen mit Behinderungen in die Gestaltung und das Testen digitaler Plattformen sicherstellen, dass ihre Bedürfnisse angemessen berücksichtigt werden. 

Herausforderung 5: Mangelnde Sichtbarkeit im Tourismusmarketing
Menschen mit Behinderungen und vielfältige Reisende sind im Tourismusmarketing oft unterrepräsentiert, was zu einem Mangel an Sichtbarkeit und Inklusivität führt. Deswegen sollte Tourismusmarketing vielfältige Gruppen von Menschen darstellen und die Zugänglichkeit von Reisezielen und Dienstleistungen hervorheben, um ein breiteres Publikum anzusprechen. Storytelling spielt dabei eine ganz besondere Rolle, denn das Teilen von Geschichten über inklusive Reiseerlebnisse kann andere inspirieren und die Möglichkeiten des barrierefreien Tourismus aufzeigen und pushen. 

Indem die genannten Herausforderungen durch eine Kombination aus politischen Veränderungen, Zusammenarbeit in der Branche und Einbindung der Gemeinschaft angegangen werden, kann der Tourismussektor inklusiver werden, was sowohl Reisenden als auch Unternehmen zugutekommt.
Eben dieser Idee hat sich KLEBER GROUP gemeinsam mit JOURNEYABLE verschrieben. Durch die Schaffung einer gemeinsamen Plattform und eines globalen Netzwerks sollen Destinationen und Pioniere in der Welt des inklusiven Reisens miteinander verknüpft werden um im Sinne der 17 Sustainable Development Goals der UN, insbesondere Ziel 10, Inegalitäten abzubauen und eine inklusivere, heterogene Gemeinschaft im Tourismussektor zu schaffen. Wichtig ist dabei ein beständiger, nachhaltiger Ansatz in kleinen Schritten, gepaart mit Mut und Engagement, der letztendlich zum Erfolg für Unternehmen und eine inklusive Tourismuswirtschaft führen kann. 

Mit Journeyable werden Reiseplaner, Reiserouten und Geschichten für Informationen und Inspiration in der barrierefreien Reiseszene verbunden mit einer mitgliederbasierten Community für direkten Kontakt mit Reisenden und Reiseanbietern und so ein globales soziales Netzwerk kreiert, um barrierefreie Reisende und Erfahrungen zu teilen und zu entdecken.